FAQ zum Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt
Im Zusammenhang mit dem Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt tauchen häufig ähnliche Fragen auf. Die wichtigsten Fragen rund um das Kirchengesetz und die Antworten dazu hat die Präventionsstelle im Gestaltungsraum IX hier zusammengestellt.
-
1. Warum gibt es ein Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt?
Das Gesetz setzt die Gewaltschutzrichtlinie um, die 2019 auf der EKD-Synode beschlossen wurde.
Im Jahr 2010 sind zahlreiche sexuelle Missbrauchsvorfälle durch Mitarbeitende in Institutionen öffentlich geworden, die Politik und Gesellschaft erschüttert haben. Daraufhin hat die Bundesregierung das Amt der Unabhängigen Beauftragten in Fragen sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) (siehe auch die Frage 13) eingerichtet.
Der UBSKM hat mit vielen großen Institutionen Vereinbarungen geschlossen, um den Schutz vor sexualisierter Gewalt zu verbessern. So auch im Jahr 2012 mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Durch die Vereinbarung hat sich die EKD dazu verpflichtet, den Schutz vor sexualisierter Gewalt nachhaltig zu verbessern. Um dies zu erreichen, war u.a. die Entwicklung einheitlicher Qualitätsstandards und eines Fortbildungsprogramms vorgesehen. In einer zweiten Vereinbarung zwischen dem UBSKM und der EKD im Jahre 2016 hielt die EKD an den Vereinbarungen fest und verpflichtete sich zusätzlich dazu, dass flächendeckend Schutzkonzepte implementiert werden.
Zwei Jahre später, im Jahr 2018, verabschiedeten die Kirchenleitung und der Rat der EKD den 11-Punkte Plan gegen sexualisierte Gewalt und für bessere Prävention. Auf der EKD-Synode 2019 wurde dann die Richtlinie der EKD zum Schutz vor sexualisierter Gewalt verabschiedet, die zugleich Aspekte aus dem 11-Punkte-Plan aufgreift.
Aufgrund ihres föderal strukturierten evangelischen Kirchenwesens kann die EKD keine Vereinbarungen treffen, die die Selbstständigkeit der Gliedkirchen berühren. Mit der Gewaltschutzrichtlinie ist jedoch ein Regelungsrahmen für alle Landeskirchen geschaffen, der Einheitlichkeit schaffen soll. Durch eigene landeskirchliche Präventionsgesetze wird diese Richtlinie umgesetzt.
Der Zeitstrahl zeigt übersichtlich noch einmal die wichtigsten Meilensteine auf dem Weg zum Kirchengesetz auf.
-
2. Was ist das Ziel des Kirchengesetzes?
Ziel des Kirchengesetzes ist es, Maßnahmen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt verbindlich für alle kirchlichen Einrichtungen festzulegen und so Kirche zu einem sichereren Ort zu machen.
Das Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt(KGSsG) der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) benennt die notwendigen Anforderungen und Maßnahmen, um sexualisierte Gewalt zu verhindern. Das sind neben materiellen Vorschriften (Gebote und Verbote) auch organisatorische Mindestanforderungen und Hilfen in Fällen, in denen sexualisierte Gewalt erfolgt ist.
Welche konkreten Anforderungen und Maßnahmen in den Gemeinden und Kirchenkreisen umgesetzt werden müssen und welche Pflichten sich für jeden Mitarbeitenden im Einzelnen ergeben, zeigt sich in den verschiedenen Paragraphen des Gesetzes. Die immer wiederkehrenden Fragen zu diesem Gesetz sollen durch diese FAQ beantwortet werden.
-
2.1 An wen richtet sich das KGSsG?
Die Pflichten aus dem Gesetz richten sich an alle Mitarbeitenden (haupt- und ehrenamtlich Tätige). (Siehe dazu auch Frage 4.) Zu den Pflichten gehören z.B. das Einhalten des Abstinenzgebotes, des Abstandsgebots und der Meldepflicht (Frage 10).
-
2.2 Wer soll durch das KGSsG geschützt werden?
Durch das Kirchengesetz sollen alle Menschen in der EKvW vor sexualisierter Gewalt geschützt werden, also alle ehren- und hauptamtlich Beschäftigten sowie Besucherinnen oder Besucher bzw. Teilnehmende an jeder Art von Veranstaltungen, die an kirchlichen Orten stattfinden. Ein besonderer Schutzgedanke gilt Kindern, Jugendlichen, hilfe- und unterstützungsbedürftigen Menschen sowie Menschen in Abhängigkeitsverhältnissen. Festgehalten ist dies in der Präambel des KGSsG.
-
3. Was ist sexualisierte Gewalt?
Um Menschen im Wirkungskreis der evangelischen Kirche vor sexualisierter Gewalt zu schützen, ist es wichtig, sich über eine gemeinsame Definition zu verständigen.
Das Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt definiert diese in §2 Begriffsbestimmung sexualisierte Gewalt:
( 1 ) Nach diesem Gesetz ist eine Verhaltensweise sexualisierte Gewalt, wenn ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird. Sexualisierte Gewalt kann verbal, nonverbal, durch Aufforderung oder durch Tätlichkeiten geschehen. Sie kann auch in Form des Unterlassens geschehen, wenn der Täter oder die Täterin für deren Abwendung einzustehen hat. Sexualisierte Gewalt ist immer bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach dem 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches (StGB) und § 201a Absatz 3 oder §§ 232 bis 233a StGB in der jeweils geltenden Fassung gegeben.
( 2 ) Gegenüber Kindern, das heißt gegenüber Personen unter 14 Jahren, ist sexuell bestimmtes Verhalten stets als unerwünscht im Sinne des Absatzes 1 anzusehen. 2 Gegenüber Minderjährigen ist sexuell bestimmtes Verhalten insbesondere dann unerwünscht im Sinne des Absatzes 1, wenn gegenüber der Täterin oder dem Täter eine körperliche, seelische, geistige, sprachliche oder strukturelle Unterlegenheit gegeben ist und damit in diesem Verhältnis die Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung fehlt.
( 3 ) Gegenüber Volljährigen ist sexuell bestimmtes Verhalten insbesondere unerwünscht im Sinne des Absatzes 1, wenn die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist.
( 4 ) Unangemessenen Verhaltensweisen, die die Grenze der sexualisierten Gewalt nicht überschreiten, ist von Vorgesetzten und anleitenden Personen durch geeignete Normen, Regeln und Sensibilisierung, insbesondere im pädagogischen und pflegerischen Alltag, entgegenzutreten.
-
4. Wer sind Mitarbeitende nach dem Kirchengesetz?
Mitarbeitende sind alle hauptamtlichen und auch ehrenamtlichen Personen. Damit sind auch Auszubildende und (Schul-) Praktikant:innen umfasst. Wer als Mitarbeiter:in gilt, ist in §3 Mitarbeitende des KGSsG festgehalten. Das bedeutet, alle diese Personen sind verpflichtet, an der Basis-Schulung hinschauen-helfen-handeln teilzunehmen.
-
5. Was bedeutet Abstandsgebot?
Es gilt das Nähe- und Distanzempfinden de Gegenübers bei beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten zu achten.
Entscheidender Maßstab ist das individuelle Empfinden des Gegenübers, nach dem sich die Distanzzone bemisst.
Die Verletzung des Abstandsgebotes kann gleichbedeutend mit dem Unangemessenen Verhalten sein. -
6. Was bedeutet Abstinenzgebot?
Alle sexuellen Kontakte zwischen Mitarbeitenden und Schutzbefohlenen sind strikt verboten.
Unter der Frage 2 ist bereits erklärt worden, dass bestimmte Gebote und Verbote formuliert sind. Das Abstinenzgebot ist ein solches, das in §4 Grundsätze verankert ist:
Bestimmte Aufgabenbereiche sind gekennzeichnet durch ein besonderes Macht-, Abhängigkeits- und Vertrauensverhältnis. Das kann z.B. in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, in Seelsorge- und Beratungssituationen oder in einem pflegerischen Kontext der Fall sein. Um sicher zu gehen, dass dieses Abhängigkeits- und Vertrauensverhältnis nicht zur Befriedigung eigener Interessen ausgenutzt wird, ist ein sexueller Kontakt zwischen Mitarbeiter:in und Teilnehmer:in / Klient:in unzulässig.
Sollte ein Liebesverhältnis im Einvernehmen bestehen, so ist die Arbeitsbeziehung zu beenden und es muss ein angemessener Zeitraum vergehen, bevor die sexuelle Beziehung aufgenommen
-
7. Warum müssen erweiterte Führungszeugnisse vorgelegt werden?
Durch die Vorlage erweiterter Führungszeugnisse wird sichergestellt, dass niemand, der einschlägig (wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung) vorbestraft ist, eingestellt wird oder ehrenamtlich in der Kirche mitarbeitet.
Unter der Frage 2 ist festgehalten worden, dass bestimmte organisatorische Mindestanforderungen gelten. Das Einholen von erweiterten Führungszeugnissen ist eine dieser organisatorischen Mindestanforderungen, die durch §5 Absatz 3 im Kirchengesetz festgeschrieben sind.
Um diese Anforderung zu verstehen, sei an dieser Stelle noch etwas ausgeholt:
Seit 2012 ist in der haupt- und ehrenamtlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen durch das Bundeskinderschutzgesetz geregelt, dass haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende erweiterte Führungszeugnisse vorlegen müssen. Für diesen Kontext ist die Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen seither fester Standard.
Das Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt weitet dies für den Bereich der EKvW aus: Alle Mitarbeitenden müssen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen, unabhängig davon, ob ein Kontakt zu Kindern und Jugendlichen besteht.
Denn es zeigt sich zum Beispiel, dass gerade ehrenamtlich Mitarbeitende sich oft auch spontan in Bereichen engagieren, für die sie ursprünglich nicht vorgesehen waren. Dadurch kann auch kurzfristig Kontakt zu Kindern und Jugendlichen bestehen. (Dies sollte vor dem Hintergrund von Täterstrategien nicht unberücksichtigt bleiben.) Auch Mitarbeitende, die in ihrer eigentlichen hauptamtlichen Tätigkeit keinen direkten pädagogischen Kontakt haben, haben punktuell Berührungspunkte: z.B. Mitarbeitende der Bauabteilung im Kreiskirchenamt, wenn sie in einer KiTa für bauliche Umbaumaßnahmen vor Ort sind.
Zudem richtet das Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt mit §2 Absatz 1 und 3 seinen Blick auf erwachsene Schutzbefohlene. Aus diesem Grund müssen auch Mitarbeitende aus diesem Kontext ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen.
-
8. Was ist ein Schutzkonzept?
„Schutzkonzepte zum Schutz vor sexualisierter Gewalt sind ein Zusammenspiel aus Analyse, strukturellen Veränderungen, Vereinbarungen und Kommunikation sowie Haltung und Kultur einer Organisation.“ (vgl.: UBSKM)
All dies geschieht nicht von heute auf morgen. Die Erstellung eines Schutzkonzeptes ist ein längerer bzw. dauerhafter Prozess.
Während dieses Prozesses müssen unterschiedliche Bausteine erarbeitet werden, die sich mit verschiedenen Themenkomplexen und Fragen auseinandersetzen:
- Risikoanalyse
- Fortbildung
- Notfallplan
- Ethikrichtlinie / Gemeindekonzeption
- Verhaltenskodex und Selbstverpflichtungserklärung
- Personalverantwortung
- Präventionsangebote
- Beschwerdesystem
Bei der Risikoanalyse muss sich die kirchliche Einrichtung die Frage stellen: Welche Bedingungen vor Ort könnten Täterinnen und Täter ausnutzen? Unter dem Baustein Risikoanalyse werden also die individuellen Gegebenheiten vor Ort analysiert.
Bei der Fortbildung geht es darum, dass sich die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitenden zum Thema sexualisierte Gewalt fortbilden und dadurch sensibilisiert werden (siehe dazu auch Frage 9).
Der Weg und die Konzipierung dieses Bausteins ist für Kirchengemeinden und Kirchenkreise durch das Kirchengesetz bestimmt: Für die Fortbildung der Mitarbeitenden in der EKvW soll das Schulungsprogramm hinschauen-helfen-handeln verwendet werden.
Der Notfallplan beschreibt, welche Maßnahmen bei einem Verdacht auf sexualisierte Gewalt wann zu treffen sind.
In der Ethikrichtlinie bzw. der Gemeindekonzeption wird der Schutz vor sexualisierter Gewalt festgeschrieben.
Der Verhaltenskodex formuliert Regeln für Situationen, die von Täterinnen und Tätern ausgenutzt werden können, und bietet somit Sicherheit im Umgang mit sensiblen Situationen.
Die Personalverantwortung beginnt bereits bei der Personalauswahl mit dem Ziel, nur Personen einzustellen und für die ehrenamtliche Mitarbeit zu gewinnen, die kein*e Täter*in sind. Das KGSsG benennt einige Anforderungen, die bei der Auswahl berücksichtigt werden müssen (siehe dazu auch die Fragen 2, 7 und 9).
Präventionsangebote stärken Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Abhängigkeitsverhältnissen in ihren Rechten und vermitteln Informationen zu sexualisierter Gewalt. Auch die Schulungen für Mitarbeitende nach hinschauen-helfen-handeln sind zum Beispiel Teil der Präventionsmaßnahmen.
Bei dem Baustein Beschwerdesystem muss sich eine Einrichtung überlegen, welche Strukturen geschaffen werden können, damit Fehlverhalten und problematische Vorgänge angesprochen werden können. Bei der Erstellung dieses Bausteins muss die Anforderung der Meldepflicht aus dem Kirchengesetz berücksichtigt werden (siehe dazu auch Frage 10). Der gesamte Prozess soll partizipativ geschehen. Das bedeutet, dass die Personen, die durch das Schutzkonzept geschützt werden sollen, an der Erstellung des Schutzkonzeptes beteiligt werden.
In §6 Maßnahmen im Umgang mit sexualisierter Gewalt des KGSsG ist festgelegt, dass jede Gemeinde kirchliche Einrichtung ein Schutzkonzept zum Schutz vor sexualisierter Gewalt erstellen muss.
-
9. Warum müssen alle haupt- und ehrenamtlichen Personen geschult werden?
Die Fortbildungsverpflichtung aller Mitarbeitenden zur Prävention von sexualisierter Gewalt, insbesondere zum Nähe-und Distanz-Verhalten und zur grenzachtenden Kommunikation, leitet sich aus §6 Maßnahmen im Umgang mit sexualisierter Gewalt im KGSsG ab.
Die Schulungen im Gestaltungsraum werden nach dem auf EKD-Ebene vereinbarten Schulungsmaterial hinschauen-helfen-handeln durchgeführt und dienen der Wissensvermittlung, der Sprachfähigkeit und der Sensibilisierung.
Durch die Informationsvermittlung bekommen die Mitarbeitenden Grundlagenwissen zu dem Thema sexualisierte Gewalt. Sie erfahren,
- was sexualisierte Gewalt nach dem Kirchengesetz bedeutet
- was zu tun ist, wenn sie einen begründeten Verdacht auf sexualisierte Gewalt haben
- welche präventiven Maßnahmen es gegen sexualisierte Gewalt gibt
- welche Strategien Täter*innen haben
- uvm.
Das Schulungsmaterial hinschauen-helfen-handeln umfasst mehrere Module, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten. Die Wissensvermittlung ist darum nicht für alle mit der Grundlagenschulung abgeschlossen.
Durch die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit verschiedenen Schwerpunkten bleibt die Prävention, Intervention und die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt präsent. Dies vermittelt Sprachfähigkeit und schafft Sensibilisierung. Sensibel zu werden heißt an dieser Stelle: aufmerksam sein gegenüber Grenzverletzungen und Haltung einüben, sodass jedem und jeder bewusst wird: „Sexuelle Gewalt ist nichts Abstraktes, irgendwo weit weg […] sexuelle Gewalt ist ganz nah dran und kann überall passieren“ (Kerstin Claus)
-
10. Was ist die Meldepflicht?
Hat eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter den begründeten Verdacht auf sexualisierte Gewalt, so muss sie oder er den begründeten Verdacht der Meldestelle unverzüglich mitteilen.
Die Meldestelle ist bei der Fachstelle Prävention und Intervention in der EKvW angesiedelt und ist unter 0521 594-381 erreichbar.
Durch die Ausführungsverordnung des Kirchengesetzes ist festgelegt, dass die Meldestelle sich nach Entgegennahme der Meldung an das zuständige Leitungsorgan wendet und über die Meldung informiert. In diesem Zusammenhang kann die Meldestelle bei der Einleitung von weiteren Schritten sowie über die Wahrnehmung der Aufsicht beraten und informieren.
Bei der Meldepflicht handelt es sich wie unter Frage 2 beschrieben um eine Maßnahme, die den/die einzelne/n Mitarbeitende/n betrifft. Diese Pflicht sollte unbedingt im Schutzkonzept verankert sein und gilt auch für zurückliegende Fälle.
-
11. Was ist ein begründeter Verdacht auf sexualisierte Gewalt? Was ist, wenn ich unsicher bin, ob es sich um einen begründeten Verdacht handelt?
Ein begründeter Verdacht ist gegeben, wenn die vorliegenden Verdachtsmomente erheblich und plausibel sind. Das kann z.B. eine Aussage eines Kindes sein, das Hinweise auf sexuell übergriffiges Verhalten gibt. Ob die vorliegenden Verdachtsmomente wirklich erheblich und plausibel sind, entscheidet die Meldestelle. Es braucht für einen begründeten Verdacht nicht zwingend Beweise!
Trotz Schulungen wird es Situationen geben, in denen Mitarbeitende unsicher sind. Für diese Situationen gibt es das Beratungsrecht, das auch anonym in Anspruch genommen werden kann. Wenn Sie unsicher sind, zögern Sie nicht, sich lieber einmal zu viel von der Meldestelle beraten zu lassen.
Sollte sich während der Beratung herausstellen, dass die Schilderungen ausreichen, um von einem begründeten Verdacht zu sprechen, wird aus der Beratung eine Meldung.
Nachlesen lässt sich das in der Begründung zu §8 Meldepflicht in Fällen sexualisierter Gewalt.
-
12. Welche Formen von Unterstützung können Betroffene sexualisierter Gewalt aus der EKvW bekommen?
Personen, die sexualisierte Gewalt durch Mitarbeitende in der EKvW erfahren haben, können sowohl Begleitung durch die landeskirchliche Ansprechstelle bekommen und es gibt die Möglichkeit der materiellen Anerkennung durch die unabhängige Kommission.
Ansprechstelle in der EKvW
Die Ansprechstelle für Betroffene wird in der westfälischen Landeskirche von Dr. Britta Jüngst ausgeführt:
0521 594-208 (Stephanie Gonschior, Sekretariat)
britta.juengst@ekvw.de
Die Ansprechstelle nimmt eine betroffenenorientierte Haltung ein. Sie steht Betroffenen beratend und auf Wunsch seelsorgerlich zur Seite. In Gesprächen kann sie gemeinsam mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt in der EKvW erste Handlungsmöglichkeiten entwickeln und sie bei der Entscheidungsfindung über das weitere Vorgehen begleiten.Britta Jüngst kann im Rahmen des Seelsorgegeheimnisses absolute Verschwiegenheit garantieren und zugleich eine Meldung bei der Meldestelle abgeben, sofern dies gewünscht ist. Welcher Weg der richtige ist, wird individuell in einem persönlichen Kontakt besprochen. Die Kontaktaufnahme kann sowohl telefonisch als auch per Mail oder postalisch erfolgen.
Anerkennungsleistungen
Personen, die als Minderjährige sexualisierte Gewalt erlebt haben, können einen Antrag auf Unterstützung durch immaterielle Hilfen und materielle Leistungen in Anerkennung erlittenen Unrechts stellen. Voraussetzung ist, dass ein organisatorisch-institutionelles Versagen, Verletzung der Aufsichtspflichten oder sonstiger Pflichten zur Sorge durch Mitarbeitende geschah und Schmerzensgeld- oder Schadensersatzansprüche zivilrechtlich nicht mehr durchsetzbar sind. Die Unabhängige Kommission entscheidet über die Anträge.Die Ansprechstelle kennt diese Anerkennungsleistungen, sodass sie darauf hinweisen kann. Unabhängig davon können betroffene Personen sich direkt an die Geschäftsstelle der Unabhängigen Kommission wenden. Die Geschäftsstelle ist in Düsseldorf bei der Diakonie RWL und wird von Frau Degen und Frau Koll ausgeführt.
Neben dieser materiellen Unterstützungsleistung steht die Leistung aus dem ergänzenden Hilfesystem.
Das Ergänzende Hilfesystem (EHS) im institutionellen Bereich bietet Menschen, die während ihrer Kindheit oder Jugend in einer Institution sexualisierte Gewalt erfahren haben, Unterstützungsleistungen.
Leistungen aus dem EHS im institutionellen Bereich sind gegenüber den gesetzlichen Leistungen nachrangig. Das bedeutet, das EHS im institutionellen Bereich kann einspringen, wenn kein Anspruch aus dem bestehenden Hilfesystem besteht, diese Leistungen nicht ausreichen oder abgelehnt wurden.
Weitere Informationen zum EHS sind hier zu finden. Auch hier können die Ansprechstelle und die Geschäftsstelle der Unabhängigen Kommission weitere Auskünfte geben.
-
13. Was sollte man noch kennen?
UBSKM – Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs
Das Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs ist nach dem Öffentlich Werden der vielen Missbrauchsfälle im Jahr 2010 eingerichtet worden. Die Aufgabe des UBSKM ist es heute, zu dem Thema sexualisierte Gewalt zu informieren, sensibilisieren und aufzuklären, den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt nachhaltig zu verbessern, gesetzliche Handlungsbedarfe und Forschungslücken zu identifizieren und systematische und unabhängige Aufarbeitung sicherzustellen. Die UBSKM setzt klare fachlich fundierte Standards.
Zahlen
ca. 25%
der Fälle von sexualisierter Gewalt finden innerhalb des engsten Familienkreises statt,
ca. 50%
im sozialen Nahraum (zu dem auch Kirche zählen kann).1-2 Kinder
pro Schulklasse sind von sexualisierter Gewalt betroffen.Der Großteil verübt sexuellen Missbrauch als Ersatzhandlung für unbefriedigende Lebenssituationen. Nur ca. 10% der Missbrauchshandlungen werden von Personen ausgeübt, die eine abnorme pädophile Neigung haben.
90 %
der Bevölkerung halten es für wahrscheinlich, dass sexuelle Gewalt vor allem in Familien stattfindet.85%
der Befragten in Deutschland halten
es für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen, dass sexualisierte Gewalt in ihrer eigenen Familie stattfindet oder passieren kann.Hilfetelefon
Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 116 016 und via Online-Beratung werden Betroffene aller Nationalitäten, mit und ohne Behinderung an 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr unterstützt. Auch Angehörige, Freundinnen und Freunde sowie Fachkräfte beratet das Hilfetelefon anonym und kostenfrei.