Neubeginn nach 1945

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Neubeginn nach 1945

Die 7. Stele steht gegenüber dem alten Amtshaus, in dem sich der erste Betsaal der jüdischen Gemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg befand. Die Initiatoren (v.l.) Dr. Manfred Keller, Dr. Hubert Schneider und Arno Lohmann freuen sich.

Evangelische Stadtakademie erinnert mit der 7. Informationstafel des Stelenwegs an die Anfänge der neuen Jüdischen Gemeinde

Es regnete in Strömen. Mitglieder der jüdischen Gemeinde, Vertreter der Evangelischen Stadtakademie und weitere Besucher kamen trotzdem, um mit Pfarrer Arno Lohmann, Leiter der Stadtakademie, die inzwischen siebte Stele zur Reihe "Jüdisches Leben in Bochum" am Alten Amtshaus an der Brückstraße 33 zu enthüllen. Hier hatte die Stadt Bochum 1946 im 1. Stock einen Raum zur Verfügung gestellt, den die kleine Nachkriegsgemeinde als Betsaal nutzte.


"Heute weihen wir die Stele ein, die sich mit der Rückkehr von Juden nach Bochum trotz der Shoah nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Das war damals ein Wunder angesichts der erlittenen Verletzungen und Verfolgungen", erklärte Lohmann. "Wir führen damit einen entschiedenen Kampf gegen Antisemitismus. Mit den Stelen an Orten in dieser Stadt, die in besonderer Weise mit jüdischem Leben verbunden sind, zeigen wir auf, dass das Zusammenleben von Juden und Nichtjuden in Bochum über Jahrhunderte gelungen ist", betonte Lohmann.

Verwaltung und Politik der Stadt dankte Lohmann, dass sie sich für das Aufstellen der Stele am heutigen Standort stark gemacht haben.

Wie sich das neue Gemeindeleben nach dem Krieg entwickelte, zeichnete Hubert Schneider, langjähriger Historiker an der Ruhr-Universität, mit Hilfe eigener Recherchen und Interviews nach. "In Bochum lebten Mitte 1945 vier Juden. Dennoch wurde im Dezember 1945 wieder eine neue jüdische Gemeinde gegründet, deren Mitgliederzahl bis Ende 1947 auf 55 anwuchs", erinnerte er.

Nach der Einweihung des Betsaals blieb das religiöse Leben schwierig. Der kleinen Gemeinde fehlte ein Vorbeter, der des Hebräischen kundig war. Immer wieder kamen nicht genügend Gemeindemitglieder - mindestens zehn - zum Gebet zusammen. Die Folge: Die Gemeinden Bochum, Herne und Recklinghausen schlossen sich 1953 zur "Jüdischen Kultusgemeinde Bochum-Herne-Recklinghausen" zusammen. Das Gemeindeleben verlagerte sich nach Recklinghausen. Der Betsaal wurde aufgegeben.

Die Zeitgeschichte hautnah brachte Ruth Frankenthal, die heutige Vorsitzende der Christlich-Jüdischen Gesellschaft in Münster. Hochzeitsfoto und -Vertrag ihrer Eltern Ernst und Margot Frankenthal Menzel sind auf der Stele dokumentiert. "Meine Eltern haben hier im alten Amtshaus 1947 geheiratet“, berichtete sie. „Mein Vater hatte Ausschwitz und andere Konzentrations- und Vernichtungslager - gebrochen an Leib und Seele - überlebt. Bis auf seinen jüngeren Bruder Hans wurden alle Verwandten umgebracht, so dass er nahezu allein auf der Welt war. Welcher Mut muss dazu gehört haben nach diesen Erfahrungen überhaupt an Familiengründung zu denken? Hier, in Bochum, traf er seine Jugendliebe Margot Menzel wieder, die mit ihrer Mutter das Lager Kassel-Bettenhausen überlebt hatte."

Weitere Grußworte gab es von Bürgermeisterin Gabriela Schäfer, Dr. Michael Rosenkranz (Jüdische Gemeinde) und dem ehemaligen Akademieleiter Dr. Manfred Keller. Letzterer erinnerte unter anderem daran, dass es nicht nur damals Vorbehalte gegen Juden gab, als sich die neue Gemeinde gründete. Er erklärte: "Ein deutliches Unbehagen an dieser Erinnerungskultur gibt es auch in Bochum. Wir in der Arbeitsgruppe Stelenweg sind diesem Unbehagen, das möglicherweise aus einem versteckten Antisemitismus resultiert, leider schon mehrfach begegnet. Am Stadtpark etwa oder an der Alten Bahnhofstraße in Langendreer sind wir mit unserem Stelenprojekt auf Ablehnung gestoßen. Das Unbehagen wurde nicht offen geäußert, verzögerte aber die Aufstellung der jeweiligen Stele. In keinem Fall jedoch war der hinhaltende Widerstand so groß wie bei der Stele, die wir heute der Öffentlichkeit übergeben."

Die nächste geplante Tafel des Stelenwegs soll an die Neuanfänge der jüdischen Gemeinde in Bochum nach 1990 durch den starken Zuzug von Juden aus der Sowjetunion erinnern. Sie wird in Laer stehen, wo die neue Gemeinde 1995 in einem leerstehenden städtischen Gebäude eine provisorische Synagoge bezog.

Fritz-Wicho Herrmann-Kümper

Ruth Frankenthal erinnerte an ihre Eltern, die 1947 im alten Amtshaus an der Brückstraße geheiratet haben. Fotos: Fritz-Wicho Herrmann-Kümper

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