Ein starkes Stück Bochumer Kirchengeschichte

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Ein starkes Stück Bochumer Kirchengeschichte

Umfangreiches Studien- und Lesebuch erinnert an die Gründung der Kreissynode vor 200 Jahren

Mit einer Buchvorstellung und einem Vortrag hat die Evangelische Kirche in Bochum am Sonntag (16.9.) an die Konstituierung der ersten Kreissynode vor 200 Jahren erinnert.


Üblicherweise steht bei solch einem Jubiläum ein Festakt auf dem Programm, wird der 200. Geburtstag einer Kreissynode traditionell mit Reden und Grußworten begangen. Nicht so jedoch jetzt in Bochum. „Wir nehmen diesen Jahrestag vielmehr zum Anlass, uns mit der Geschichte unseres Kirchenkreises zu beschäftigen“, erklärte Superintendent Dr. Gerald Hagmann in der Evangelischen Stadtakademie.

Am 29. September 1818 trat aufgrund einer „Kabinettsordre“ des Preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. die erste Kreissynode in Bochum zusammen. Hintergrund war eine Neuordnung der Evangelischen Landeskirche als Kirchenunion von Lutheranern und Reformierten.

Damit leitet seit 200 Jahren die Kreissynode die Evangelische Kirche in Bochum. Dieses Gründungsdatum ist zugleich der Beginn einer über Jahrhunderte dauernden Verzahnung von politischer und kirchlicher Geschichte.

Pünktlich zum Jubiläum legte jetzt der Historiker und Sozialwissenschaftler Professor Günter Brakelmann ein umfangreiches Studien-  und Lesebuch zur Geschichte der Kreissynode von 1818 bis 1912 vor.

„Es ist schon etwas Besonderes, dass sich hier ein Kirchenkreis zum 200. Jubiläum nicht eine Festschrift leistet, sondern solch ein Werk“, bekräftigte auch Landeskirchenrat Professor Dieter Beese.

Diese in der westfälischen Kirchengeschichte einzigartige Dokumentation stellte Brakelmann in der Stadtakademie persönlich vor: „Die 1. Synode 1818 bestand aus zwölf Personen. Bochum war damals ein ganz primitives Landstädtchen. Das muss man immer bedenken.“

Stets müsse man die Entscheidungen, die Anekdoten, die Konflikte, ja, auch die moralischen Vorstellungen, mit denen sich die Synoden im Laufe der ersten einhundert Jahre befassten, im Zusammenhang mit der jeweiligen sozialen, wirtschaftlichen, politischen wie gesellschaftlichen Situation der Zeit betrachten. So waren alle evangelischen Pfarrer bis 1918 auf den König eingeschworen. Frauen gab es bei der Kreissynode erst ab 1919. Das Hauptthema war, so Brakelmanns Recherchen, in all den Jahren die Frage des Verfalls der Sitten. Diese Sorge mündete schließlich in einer Kirchenzuchtordnung.

Viele weitere spannende Themen hat der 87-Jährige in diesem dritten Band seiner Trilogie zur Geschichte des Kirchenkreises zusammengetragen.

Doch auch aus der jüngeren Vergangenheit des Kirchenkreises gab es Interessantes zu berichten. Albrecht Geck, Professor für Historische Theologie an der Universität Osnabrück und Leiter des Instituts für Kirchliche Zeitgeschichte des Kirchenkreises Recklinghausen, stellte den Bochumer Pfarrer Paul Bischoff vor.

1945/46 hatte der Gemeindepfarrer den Versuch unternommen, die Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs in Nürnberg zu einem Schuldbekenntnis zu bewegen. „Bischoff war ein kämpferischer Pastor“, stellte Geck in seinem Vortrag fest. „Er nahm auch gegenüber dem Präses der Evangelischen Kirche kein Blatt vor den Mund. Er kritisierte, dass sich weder die evangelische noch die katholische Kirche um die Nürnberger Prozesse kümmerten.“

Bischoff schrieb an die Verteidiger der in Nürnberg angeklagten Kriegsverbrecher, dass ein Prozess für ihn nur Sinn mache, wenn die Verbrecher vor Gott Buße tun würden.

„Dieses Schreiben hat mein Vater bereits zu Hause verfasst“, warf die Tochter des Bochumer Gemeindepfarrers, die extra zu dieser Veranstaltung nach Bochum in die Stadtakademie gekommen war, ein. Und obwohl er keinen offiziellen Auftrag dazu hatte, berührte der Bochumer Gemeindepfarrer Paul Bischoff  mit seinen Bemühungen viele Menschen im Umfeld der Nürnberger Prozesse sehr. Und auch in der Stadtakademie meldeten sich jetzt einige ehemalige Gemeindeangehörige, die sich gern an „ihren“ Pastor Bischoff erinnerten.

200 Jahre Bochumer Kreissynode – kein Festakt, sondern eine Einladung zum Rückblick auf besondere und bewegende Jahre der Evangelischen Kirche in Bochum.
                                                                                  Frauke Haardt-Radzik

Buchhinweis: Günter Brakelmann, Geschichte des Kirchenkreises Bochum im 19. Jahrhundert (1818-1912). Ein Studien- und Lesebuch.
Erschienenim Recklinghäuser Forum zur Geschichte von Kirchenkreisen, begründetvon Helmut Geck (†), herausgegeben von Günter Brakelmann (Bochum),Katrin Göckenjan und Albrecht Geck (Recklinghausen)
Band 8, LIT-Verlag Münster 2018, 552 Seiten, 74,90 Euro.

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